An Den Leser.
Die Romanzen und Ritterbuecher, womit Spanien und Frankreich im zwoelften, dreyzehnten und vierzehnten Jahrhundert ganz Europa so reichlich versehen haben, sind, eben so wie die fabelhafte Goetter—und Heldengeschichte der Morgenlaender und der Griechen, eine Fundgrube von poetischem Stoffe, welche, selbst nach allem was Bojardo, Ariost, Tasso, Allemanni, und andere daraus gezogen haben, noch lange fuer unerschoepflich angesehen werden kann.
Ein grosser Theil der Materialien zu gegenwaertigem Gedichte, besonders dessen was man in der Kunstsprache die Fabel nennt, ist aus dem alten Ritterbuche von Huon de Bordeaux genommen, welches durch einen der Bibliotheque Universelle des Romans einverleibten freyen Auszug, aus der Feder des verstorbenen Grafen von Tressan, allgemein bekannt ist. Aber der Oberon, der in diesem alten Ritterromane die Rolle des Deus ex machina spielt, und der Oberon, der dem gegenwaertigen Gedichte seinen Nahmen gegeben, sind zwey sehr verschiedene Wesen. Jener ist eine seltsame Art von Spuk, ein Mittelding von Mensch und Kobold, der Sohn Julius Caesars und einer Fee, der durch eine sonderbare Bezauberung in einen Zwerg verwandelt ist; der meinige ist mit dem Oberon, welcher in Chaucers "Merchant’s-Tale" und Shakspeares "Midsummer-Night’s-Dream" als ein Feen—oder Elfenkoenig (King of Fayries) erscheint, eine und eben dieselbe Person; und die Art, wie die Geschichte seines Zwistes mit seiner Gemahlin Titania in die Geschichte Hueons und Rezia’s eingewebt worden, scheint mir (mit Erlaubniss der Kunstrichter) die eigenthuemlichste Schoenheit des Plans und der Komposizion dieses Gedichtes zu seyn.
In der That ist "Oberon" nicht nur aus zwey, sondern, wenn man es genau nehmen will, aus drey Haupthandlungen zusammen gesetzt: nehmlich, aus dem Abenteuer, welches Hueon auf Befehl des Kaisers zu bestehen uebernommen, der Geschichte seiner Liebesverbindung mit Rezia, und der Wiederaussoehnung der Titania mit Oberon: aber diese drey Handlungen oder Fabeln sind dergestalt in Einen Hauptknoten verschlungen, dass keine ohne die andere bestehen oder einen gluecklichen Ausgang gewinnen konnte. Ohne Oberons Beystand wuerde Hueon Kaiser Karls Auftrag unmoeglich haben ausfuehren koennen: ohne seine Liebe zu Rezia, und ohne die Hoffnung, welche Oberon auf die Treue und Standhaftigkeit der beiden Liebenden, als Werkzeugen seiner eignen Wiedervereinigung mit Titania, gruendete, wuerde dieser Geisterfuerst keine Ursache gehabt haben, einen so innigen Antheil an ihren Schicksalen zu nehmen. Aus dieser auf wechselseitige Unentbehrlichkeit gegruendeten Verwebung ihres verschiedenen Interesse entsteht eine Art von Einheit, die, meines Erachtens, das Verdienst der Neuheit hat, und deren gute Wirkung der Leser durch seine eigene Theilnehmung an den saemmtlichen handelnden Personen zu stark fuehlt, als dass sie ihm irgend ein Kunstrichter wegdisputieren koennte.
An Se. Durchlaucht den Prinzen August von Sachsen-Gotha und Altenburg.
Der Grazien schoenste weyhet, am Altar der Freundschaft, Bester Prinz, Dir diese Blumen, gepflegt von einer Muse die Du liebst. Sie bluehten unter Deinen Blicken auf, und Du ergoeztest Dich an ihrem Duft. Bescheiden ist ihr Glanz; allein mir sagt’s ein Genius, sie werden nie verbluehen: und wenn dereinst nichts uebrig ist von mir als sie—und auch von Dir, o Du Geliebter, nichts uebrig ist, als Deiner schoenen Seele und aller Deiner holden Tugenden Erinnerung: dann werden noch die Musen, stilltraurend—denn wer liebte sie wie Du?— die unverwelklichen um Deine Urne winden.